Das neue Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und China –
Chancen und Fallstricke für die Unternehmenspraxis

Von Prof. Dr. Patrick Sinewe und Alexander Bellheim

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Seit mehr als 40 Jahren bestehen zwischen der Volksrepublik China und der Bundesrepublik Deutschland diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen. Letztere sind von einer großen Dynamik und stetigem Wachstum geprägt.

Deutschland ist Chinas größter Handelspartner in Europa. Umgekehrt ist China drittgrößter Handelspartner Deutschlands. Im Jahr 2013 bewegten sich die Importe aus China auf einem Niveau von rund 73 Milliarden Euro, nach China sind es rund 67 Milliarden Euro. Auch die grenzüberschreitenden Investitionen deutscher Unternehmen in China sind beträchtlich (Investitionsvolumen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro im Jahr 2012).

Nicht zuletzt profitieren auch die beiden Staaten selbst von dieser intensiven Wirtschaftsbeziehung. So fließt ein nicht unerheblicher Teil der Zahlungsströme in die Staatskassen beider Länder. Um dabei den bilateralen Handel nicht über Gebühr zu beeinträchtigen, wurde bereits 1985 das erste Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit China unterzeichnet, welches bis heute Bestand hatte.

Inzwischen ist ein neues DBA zwischen beiden Staaten ausgehandelt worden. Es soll voraussichtlich zum 01.01.2015 in Kraft treten und das derzeit noch geltende Abkommen ersetzen.

Änderungen bei der Betriebsstättendefinition

Nach dem derzeitigen DBA begründeten eine Bauausführung, eine Montage oder eine damit verbundene Aufsichtstätigkeit, die eine Dauer von sechs Monaten überschreitet, eine sogenannte Baubetriebsstätte. Das neue Abkommen verdoppelt den erforderlichen Zeitraum nun auf zwölf Monate. Für in Deutschland ansässige Unternehmen der Baubranche ist diese Änderung günstig, weil bei kurzfristigen Projekten in China dort zukünftig keine Ertragsteuern anfallen.

Außerdem tritt eine Änderung bei Dienstleistungsbetriebsstätten ein. Nach dem bisherigem DBA wird beispielsweise bei einer beratenden Tätigkeit, die länger als sechs Monaten innerhalb eines beliebigen Zwölfmonatszeitraums ausgeführt wurde, eine Betriebsstätte im anderen Staat begründet, ohne dass das Unternehmen dort eine feste Geschäftseinrichtung unterhalten muss. China zählt allerdings angefangene Monate als volle Monate mit, so dass derzeit bereits dann eine chinesische Betriebsstätte begründet werden kann, wenn ein deutsches Unternehmen in sieben Monaten innerhalb des Zwölfmonatszeitraums an je einem Tag pro Monat eine Dienstleistung in China erbrachte. Das neue Abkommen dürfte dieser „Zählweise“ einen Riegel vorschieben, da die erforderlichen sechs Monate durch eine 183-Tage-Regelung ersetzt werden: Zum Begründen einer Betriebsstätte müssen Dienstleistungen an mehr als 183 Tagen innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten erbracht werden. Für deutsche Unternehmen, die nur sporadisch oder im begrenzten Umfang Dienstleistungen in China erbringen, ohne dort über Büroräume und vertretungsberechtigte Mitarbeiter zu verfügen, fallen keine chinesischen Ertragsteuern an.

Absenkung der Quellensteuer auf Dividenden

Mit Blick auf grenzüberschreitende Gewinnrepatriierungen einigten sich China und Deutschland auf eine Halbierung des Quellensteuersatzes von 10 % auf 5 %. Allerdings gilt dieses Quellensteuerprivileg nur für Kapitalgesellschaften, die unmittelbar zu mindestens 25 % an der im anderen Land ansässigen ausschüttenden Gesellschaft beteiligt sind.

Für deutsche Kapitalgesellschaften ist diese Neuerung günstig, da infolge der grundsätzlich eingreifenden inländischen Steuerfreistellung von effektiv 95 % der Dividendeneinkünfte die chinesische Quellensteuer nicht auf die deutsche Steuer angerechnet werden kann. Die Reduzierung des Quellensteuersatzes mindert hier also die definitive Steuerlast und erleichtert so Investitionen in chinesische Kapitalgesellschaften.

Die bisherige Praxis, zwecks Reduzierung der Quellensteuerbelastung über eine in Hongkong oder Singapur ansässige Zwischenholding in eine chinesische Kapitalgesellschaft zu investieren, wird mit Inkrafttreten des neuen DBA obsolet, sofern nicht andere Gründe (etwa Hongkongs flexibles Rechtssystem) für die Zwischenschaltung einer Holding sprechen.

Sofern die Mindestbeteiligungsschwelle von 25 % nicht erreicht wird oder es sich bei dem Gesellschafter um eine Personengesellschaft oder natürliche Person handelt, bleibt es beim bisherigen Quellensteuersatz von 10 %.

Besteuerung von Zinszahlungen und Lizenzgebühren

Für Zinsen und Lizenzgebühren wird der Quellensteuersatz weiterhin 10 % betragen. Allerdings wird bei Lizenzen für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung industrieller, gewerblicher oder wissenschaftlicher Ausrüstung die maßgebliche Bemessungsgrundlage von 70 % auf 60 % des Bruttobetrags der Lizenzgebühren gesenkt. Effektiv ergibt sich somit in diesen Fällen ein um 1 % geringerer Quellensteuersatz von effektiv 6 %.

Für deutsche Unternehmen entsteht jedoch dadurch kein Steuervorteil, da zugleich die fiktive Steueranrechnung auf Zinsen und Lizenzen abgeschafft wurde. Nach dem bisherigen DBA konnten deutsche Unternehmen eine fiktive chinesische Quellensteuer von 15 % der Zinszahlungen oder Lizenzgebühren auf die deutsche Körperschaftsteuer anrechnen, obwohl die tatsächliche chinesische Quellensteuer nur 10 % (oder bei bestimmten Lizenzgebühren effektiv nur 7 %) beträgt. Unter Geltung des neuen DBA kann nur noch die tatsächlich in China gezahlte Quellensteuer auf die deutsche Körperschaftsteuer angerechnet werden.

Besteuerung bei der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen

Nach dem derzeit noch geltenden Abkommen hatte auch der Ansässigkeitsstaat der veräußerten Kapitalgesellschaft ein Recht zur Besteuerung der erzielten Veräußerungsgewinne. Dies galt für alle denkbaren Fallkonstellationen. Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung konnten sich deutsche Verkäufer die chinesische Steuer anrechnen lassen.

Nach dem neuen DBA hat der Ansässigkeitsstaat der veräußerten Gesellschaft nur dann ein Besteuerungsrecht, wenn der Veräußerer innerhalb (irgendeines Zeitpunkts) der letzten zwölf Monate zu mindestens 25 % an der Tochtergesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt war:

Eine Ausnahme von dieser Regel besteht für Beteiligungen an börsennotierten Unternehmen, solange der Gesellschafter im Steuerjahr nicht mehr als 3 % der börsennotierten Anteile veräußert. In diesen Fällen hat nur der Ansässigkeitsstaat des Veräußerers ein Besteuerungsrecht.

Eine Besonderheit gilt nach dem neuen DBA für Grundstücksgesellschaften: Beruht der Wert der veräußerten Gesellschaft zu mehr als 50 % auf unbeweglichem Vermögen, darf der Belegenheitsstaat des Grundbesitzes den Veräußerungsgewinn besteuern:

Neue Switch-over-Klausel

Das neue DBA führt für Unternehmensgewinne und Dividenden eine sogenannte Switch-over-Klausel ein. Danach darf Deutschland von der – für deutsche Unternehmen in der Regel günstigeren – Freistellungsmethode auf die Anrechnungsmethode „umschalten“, sofern die chinesische Betriebsstätte oder die in China ansässige Kapitalgesellschaft ihre Bruttoerträge (fast) ausschließlich aus passiven Tätigkeiten im Sinne des deutschen Außensteuergesetzes erwirtschaftet hat.

Fazit

Die sich aus dem neuen DBA ergebenden Änderungen und Steuerfolgen liegen oftmals im Detail und sind nicht auf den ersten Blick erkennbar. Für deutsche Unternehmen, die in China wirtschaftlich tätig sind, empfiehlt es sich daher, noch vor dem Inkrafttreten des neuen Abkommens zu analysieren, auf welche (positiven oder negativen) Steuereffekte sie sich einzustellen haben. Sofern negative Steuerfolgen (etwa wegen Abschaffung der fiktiven Steueranrechnung) zu erwarten sind, sollte eine drohende Mehrsteuerbelastung durch steuergestalterische Maßnahmen abgemildert werden.

Prof. Dr. Patrick Sinewe, Steuerberater, Partner, Bird & Bird, Frankfurt am Main
patrick.sinewe@twobirds.com
www.twobirds.com

Alexander Bellheim, M.Sc., Rechtsanwalt, Steuerberater, Bird & Bird, Frankfurt am Main
alexander.bellheim@twobirds.com
www.twobirds.com

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