Herausforderungen und Lösungsansätze

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Unter den in Deutschland selbständig Tätigen gibt es rund eine Million Frauen und rund zwei Millionen Männer. Dass nur wenige Frauen den Schritt in die Selbständigkeit wagen, liegt unter anderem an ihrer unzureichenden Absicherung während der Schwangerschaft und nach der Geburt des Kindes. Während angestellte Mütter durch klar geregelte gesetzliche Bestimmungen geschützt sind, fehlt es für selbständige Frauen an vergleichbaren, umfassenden Schutzmechanismen. So erhalten laut einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach nur etwa ein Drittel der Frauen, die während ihrer Selbständigkeit ein Kind bekommen haben, Mutterschaftsleistungen aus der freiwilligen gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung. Zwei Drittel hatten keine entsprechende Versicherung abgeschlossen. Zudem sind 44% der selbständigen Frauen nicht ausreichend über die bestehenden Möglichkeiten der Mutterschutzabsicherung informiert.

Der aktuelle Stand des Mutterschutzes für Selbständige

Selbständige Frauen haben derzeit im Wesentlichen vier Möglichkeiten, sich während der Schwangerschaft und nach der Geburt zu unterstützen:

  • Freiwillige Krankenversicherung: Selbständige ­können sich freiwillig gesetzlich oder privat krankenversichern. Beide Versicherungen bieten unterschiedliche Mutterschaftsleistungen, jedoch sind sie oft mit hohen Beiträgen verbunden. In der freiwilligen ­gesetzlichen Krankenversicherung mit Krankengeldanspruch besteht die Möglichkeit, Mutterschaftsgeld zu erhalten. In privaten Krankenversicherungen werden je nach Tarif verschiedene Leistungen geboten (zum Beispiel Anspruch auf Krankentagegeld).
  • Versicherungen: Eine Berufsunfähigkeit kann greifen, wenn die Schwangerschaft zu einer (vorübergehenden) Berufsunfähigkeit führt. Die Betriebsunterbrechungsversicherung deckt den finanziellen Verlust bei einer vorübergehenden Betriebsschließung nach Schadensfällen ab. Zumeist sind in den Versicherungs­bedingungen jedoch Schwangerschaft und Entbindung ausgeschlossen. Insgesamt erweisen sich die Versicherungsbedingungen oft als komplex und nicht speziell auf die Bedürfnisse von Schwangeren und Müttern zugeschnitten.
  • Verwendung privater Ersparnisse: Viele selbständige Frauen müssen auf ihre eigenen Ersparnisse zurückgreifen, um die finanziellen Belastungen während der Mutterschaft zu decken. Dies führt häufig zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten und beeinträchtigt die langfristige finanzielle Sicherheit.
  • Kredite zur Überbrückung: Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Kredite aufzunehmen, um die ­finanziellen Einbußen während der Mutterschaft zu überbrücken. Dies kann kurzfristig helfen, birgt aber das Risiko der Verschuldung und erfordert eine ­solide Rückzahlungsplanung nach der Rückkehr in den ­Beruf.

„Policy Paper“ des Deutschen Juristinnenbundes

Der Deutsche Juristinnenbund (DJB) hat in einem Policy Paper bereits im Februar 2023 konkrete Vorschläge zur Verbesserung des Mutterschutzes für Selbständige unterbreitet. Die zentralen Punkte sind:

  • Für Selbständige soll während der Schwangerschaft und nach der Entbindung ein gleichwertiger gesetzlicher Mutterschutz wie für Arbeitnehmerinnen gelten. Ein rechtlicher Rahmen soll geschaffen werden, der selbständige Frauen während der Mutterschaft in gleicher Höhe wie bei einer Arbeitnehmerin finanziell absichert.
  • Hierzu gehört auch die Forderung nach der Ausweitung der Ausgleichszahlungen in Berufen, in ­denen aufgrund der Arbeitsplatzbeschreibung für eine ­Arbeitnehmerin das betriebliche Beschäftigungs­verbot greift.
  • Beim Versicherungsabschluss mit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) oder der privaten Kranken­versicherung (PKV) ist eine ausdrückliche, dokumentierte Aufklärung im Hinblick darauf angezeigt, ob die Versicherung mit Krankengeldanspruch ­beziehungsweise eine Zusatzversicherung für ein zum Einkommensersatz ausreichendes Krankentagegeld ab dem ersten Tag abgeschlossen worden ist.
  • Anpassungen im Bundeselterngeld- und Elternzeit­gesetz sollen zu einem Abbau von Nachteilen im Vergleich zu Arbeitnehmerinnen führen.

Initiative des Bundesrats

Am 26.04.2024 verabschiedete der Bundesrat eine Initiative zur Verbesserung der Mutterschutzbedingungen für Selbständige (siehe hier, Top 12). Diese Initiative fordert die Bundesregierung auf, Maßnahmen zu ergreifen, die selbständige Frauen besser finanziell absichern und ihnen ähnliche Rechte wie angestellten Müttern gewähren. Der Bundesrat fordert, dass selbständige Frauen während der Schwangerschaft und nach der Entbindung gleichwertige gesetzliche Mutterschutzleistungen erhalten sollten, wie sie Arbeitnehmerinnen zustehen.

Selbständige Frauen sollen während der Schwangerschaft und nach der Entbindung finanziell abgesichert werden. Die Bundesregierung sei aufgerufen, gleichwertige Mutterschutzleistungen wie für Arbeitnehmerinnen zu schaffen und die Finanzierung sicher zu stellen. Angedacht wird dabei eine solidarische Finanzierung, vergleichbar mit der für Arbeitgeber existierenden Umlage U2 (Mutterschaft). Alternativ zur finanziellen Gleichstellung sieht der Bundesrat in der Förderung von betrieblichen Vertretungsmöglichkeiten einen gleichwertigen Mutterschutz. Besonders in kleinen Unternehmen und im Handwerk, wo die Ausfallzeiten selbständiger Frauen durch Schwangerschaft und Geburt zu erheblichen betrieblichen ­Herausforderungen führen können, könnten betriebliche Vertretungsmöglichkeiten einen wichtigen Beitrag leisten.

Die Entschließung des Bundesrats ist jedoch nur eine ­politische Empfehlung und hat keine unmittelbare rechtliche Bindung. Die Bundesregierung muss die Entschließung zunächst prüfen und dann entscheiden, ob und inwieweit die darin enthaltenen Forderungen oder Vorschläge umgesetzt werden sollen. Erst nach dieser Prüfung kann ein Gesetzesvorschlag erarbeitet werden. Für diesen Prozess gibt es keine festen Fristvorgaben, was ­bedeutet, dass die Umsetzung und Weiterentwicklung der Vorschläge Zeit in Anspruch nehmen können.

Befragung und Workshop des BMFSFJ: Einblick in die Bedürfnisse

Derzeit prüft das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), welche konkreten Bedarfe für Mutterschutz für selbständige Frauen bestehen und welche Verbesserungsmöglichkeiten es gibt. In diesem Zusammenhang führte das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des BMFSFJ eine repräsentative Befragung von beruflich selbständigen Frauen und Männern durch. Danach erhält nur etwa ein Drittel der selbständigen Frauen Mutterschaftsleistungen aus einer freiwilligen Krankenversicherung. Zwei Drittel sind unzureichend informiert oder haben keine entsprechende Versicherung abgeschlossen. Die Mehrheit der befragten Frauen wünscht sich mehr Unterstützung und klarere ­Informationen zu ihren Möglichkeiten. Zudem zeigte die Befragung, dass vor allem jüngere Frauen bereit wären, höhere Beiträge zu zahlen, wenn dadurch ein verbesserter Mutterschutz gewährleistet wäre. Des Weiteren erachten die meisten befragten Frauen eine umlagefinanzierte Mutterschaftsabsicherung als eine gute Idee – hingegen befürworten dies nur (aber immerhin) 36% der selbständigen Männer, die aus einem Fonds selbst keine Leistungen ­erhalten würden.

Auf der Grundlage der Befragung und Bedarfsanalyse lud das BMFSFJ und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) am 05.06.2024 Vertreterinnen und Vertreter von Verbänden und Netzwerken zu einem Workshop zum Thema „Mutterschutz für Selbstständige – Bedarf und Ideensammlung“ ein (siehe hier). Der Zweck des Workshops bestand darin, die Zusammenarbeit unter den relevanten Beteiligten zu intensivieren, die Bedürfnisse der unterschiedlichen Personengruppen detailliert zu erfassen und Lösungsstrategien zu diskutieren. Wirtschaftsverbände und Netzwerke konnten so ihre praktischen Erfahrungen und Vorschläge einbringen. Gemeinsam sollten alle Teilnehmenden daran arbeiten, maßgeschneiderte und zielorientierte Lösungsansätze zu entwickeln. Ekin Deligöz, Parlamentarische Staats­sekretärin bei der Bundesfamilienministerin, betonte die Notwendigkeit eines verbesserten Zugangs zu Schutz und Unterstützung für selbständige Mütter.

Fazit und Ausblick

Die Einführung eines umfassenden Mutterschutzes für selbständige Frauen ist ein wichtiger Schritt zur Gleichstellung von Frauen und Männern im Berufsleben und zur Förderung der Selbständigkeit von Frauen. Die derzeitigen Regelungen sind unzureichend und führen zu erheblichen Nachteilen für selbständige Mütter. Durch eine Kombination aus rechtlichen Anpassungen, besseren Informationskampagnen und staatlicher Unterstützung kann eine gerechtere und nachhaltigere Lösung gefunden werden.

Die Diskussionen und Initiativen, die im Workshop des BMFSFJ und in den Untersuchungen des Instituts für ­Demoskopie Allensbach sowie im Policy Paper des DJB deutlich werden, sind wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einem besseren Mutterschutz für selbständige Frauen in Deutschland. Der politische und gesellschaftliche Diskurs ist angestoßen und sollte auch weiter vorangetrieben werden, um die Arbeitswelt sozial und geschlechter­gerecht auszugestalten.

 

Autor


Sandy Gerlach Bird & Bird, München Rechtsanwältin, Counsel sandy.gerlach@twobirds.com www.twobirds.com

Sandy Gerlach
Bird & Bird, München
Rechtsanwältin, Counsel

sandy.gerlach@twobirds.com
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