GmbH-Geschäftsführer und Arbeitnehmerrechte

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Mutterschutz, Elternzeit und Diskriminierungsschutz auch für Geschäftsführer?

In letzter Zeit ist stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit geraten, ob sich auch GmbH-Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder auf arbeitnehmerschützende Vorschriften berufen können (sollten). So hat sich etwa im Jahr 2020 die Initiative #stayonboard gebildet, nachdem bekanntwurde, dass ein weibliches Vorstandsmitglied des Onlinemöbelversandhauses Westwing Group AG ihr Amt niederlegen musste, weil sie sonst nach der Geburt ihres Kindes nicht in „Elternzeit“ hätte gehen können. Nur so ließ sich außerdem vermeiden, dass sie während ihrer „Auszeit“ weiterhin als Vorstandsmitglied haftete. Die Initiative setzte sich für die Schaffung einer gesetzlichen Mandatspause in bestimmten Situationen ein, wie dies bereits in vergleichbarer Weise für Arbeitnehmer mit den rechtlichen Instrumentarien des Mutterschutzes, der Elternzeit etc. möglich ist.

Das deutsche Aktiengesetz (AktG) und GmbH-Gesetz (GmbHG) sahen bisher ein Recht auf eine begrenzte Auszeit für Führungspositionen bei Elternzeit, Mutterschutz und Co. nicht vor. Eine gesonderte gesetzliche Regelung hierzu wäre aber dann nicht erforderlich, wenn sich Organmitglieder ohnehin auf arbeitnehmerschützende Vorschriften wie etwa das Mutterschutzgesetz (MuSchG) oder das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) berufen könnten. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich auf die arbeitsrechtliche Stellung von GmbH-Geschäftsführern und soll einen Überblick darüber geben, ob sie sich auf die exemplarischen Arbeitnehmerrechte des Mutterschutzes, der Elternzeit und des AGG-Diskriminierungsschutzes berufen können.

Ob ein Geschäftsführer als Arbeitnehmer gilt, ist seit langem Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage ist, ob im konkreten Fall der nationale oder aber der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff heranzuziehen ist. Abhängig davon, welcher Maßstab anzulegen ist, ergeben sich auch unterschiedliche Konsequenzen für die Anwendbarkeit von arbeitnehmerschützenden Normen.

Nationaler vs. unionsrechtlicher Arbeitnehmerbegriff

Nach nationalem Verständnis ist Arbeitnehmer, wer durch den Arbeitsvertrag im Dienst eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen (vgl. § 611a Abs. 1 BGB). GmbH-Geschäftsführer nehmen als Organe juristischer Personen für diese Arbeitgeberfunktionen wahr, so dass es bei ihnen grundsätzlich an der für eine Arbeitnehmereigenschaft typischen weisungsgebundenen, fremdbestimmten Arbeit in persönlicher Abhängigkeit mangelt. Das BAG nimmt dennoch eine differenzierte Betrachtung vor und bejaht die Möglichkeit einer Einordnung als Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen. In einer Einzelfallbetrachtung ist demnach auf den nach der konkreten Vertragsgestaltung gegebenen Grad der für den Arbeitnehmerstatus maßgeblichen persönlichen Abhängigkeit abzustellen. Es muss eine dem Über-/Unterordnungsverhältnis typische Weisungsabhängigkeit des Geschäftsführers in Bezug auf die Konkretisierung seiner Arbeitspflicht vorliegen. Eine derartige Weisungsabhängigkeit fehlt stets, wenn der Geschäftsführer zugleich Gesellschafter ist und nach seiner Kapitalbeteiligung einen bestimmenden Einfluss auf die Beschlussfassung der Gesellschafter hat (Mehrheitsgesellschafter). Eine persönliche Abhängigkeit kann aber bejaht werden, wenn der Geschäftsführer einem umfassenden Direktionsrecht der Gesellschafter bezüglich Zeit, Dauer, Ort und Art der Tätigkeitsausführung unterliegt. Im Regelfall haben Geschäftsführer nach dem nationalen Rechtsverständnis keinen Arbeitnehmerstatus, sondern sind auf der Grundlage eines freien Dienstverhältnisses tätig.

Dahingegen findet der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff überall dort Anwendung, wo nationale Rechtsnormen durch Unionsrecht beeinflusst, geformt oder bedingt sind. Nach der Rechtsprechung des EuGH besteht das wesentliche Merkmal eines Arbeitsverhältnisses darin, dass eine Person während einer bestimmten Zeit für eine andere Person nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält (Urteil vom 11.11.2010 – C-232/09 – „Danosa“). Anders als nach der nationalen Auffassung kommt es hierbei gerade nicht darauf an, ob die dieser Tätigkeit zugrundeliegende Rechtsbeziehung nach dem jeweiligen nationalen Recht als Arbeitsverhältnis anzusehen ist. Ein solcher Rückgriff auf das nationale Recht stünde der gebotenen einheitlichen Auslegung des Unionsrechts entgegen. Aufgrund dieses Unterschieds in der Definition kann eine Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Unionsrechts auch bei Personen vorliegen, die auf der Grundlage eines freien Dienstverhältnisses tätig sind. Dies gilt auch für die Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft. Auch dort sind nach der Rechtsprechung des EuGH die Bedingungen der Tätigkeit maßgeblich, insbesondere die Befugnisse des Geschäftsführers und seine gesellschaftsinterne Kontrolle. Entsprechend kann ein GmbH-Geschäftsführer durchaus als Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts anzusehen sein.

Anspruch auf Mutterschutz

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist nun fraglich, ob eine schwangere GmbH-Geschäftsführerin Anspruch auf Mutterschutz nach dem MuSchG hat. Weil das MuSchG auf der europäischen Mutterschutzrichtlinie (Richtlinie 92/85/EWG) beruht, ist hier der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff anzulegen. Demnach kann sich auch eine Geschäftsführerin auf die Regelungen des MuSchG berufen, weil die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs zumindest in der Regel für die Fremdgeschäftsführerinnen und minderheitlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführerinnen erfüllt sind. Der Gesetzgeber hat – in Reaktion auf die „Danosa“-Rechtsprechung – den persönlichen Geltungsbereich des MuSchG in § 1 Abs. 2 MuSchG auf die Beschäftigten im Sinne von § 7 Abs. 1 SGB IV ausgedehnt, zu denen auch die obengenannten Geschäftsführerinnen gehören. Für diese gelten dann insbesondere die wichtigen Schutzfristen des § 3 MuSchG und das Kündigungsverbot aus § 9 MuSchG.

Elternzeit

GmbH-Geschäftsführer haben mangels Arbeitnehmerstellung keinen Anspruch auf Elternzeit nach § 15 BEEG. Da es sich bei diesem Gesetz um ein Gesetz nach nationalem Recht handelt, ist bei dessen Auslegung der nationale Arbeitnehmerbegriff heranzuziehen. Folglich gelten Geschäftsführer gerade nicht als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes. Auch die gesetzliche Änderung des § 38 GmbHG schafft keinen Anspruch auf Elternzeit. Mit Wirkung zum 12.08.2021 hat der Gesetzgeber – als Reaktion auf die Initiative #stayonboard – in § 38 Abs. 3 GmbHG ein Recht des Geschäftsführers auf Widerruf der Bestellung und Wiederbestellung geschaffen, das unter anderem bei Elternzeit, Mutterschutz und Pflegezeit greifen soll. Daher liegt möglicherweise der Gedanke nahe, dass Geschäftsführern durch diese Vorschrift zugleich ein Anspruch auf Elternzeit eingeräumt wird, weil sie davon ausgeht, dass Geschäftsführer in Elternzeit sind. Die Frage, ob einer der erfassten Aussetzungsgründe vorliegt, ist aber anhand des eigenständigen gesellschaftsrechtlichen Maßstabs des § 38 Abs. 3 GmbHG zu beantworten. So sind die Gründe zwar an die sozialrechtlichen Regelungen der § 3 MuSchG, § 15 BEEG und § 3 Pflegezeitgesetz (PflegeZG) angelehnt; die Tatbestände dieser Regelungen müssen aber für einen Aussetzungsantrag nach Abs. 3 nicht erfüllt sein, sondern haben nur Leitbildcharakter. Ziel der gesetzlichen Neuerung ist es nicht, die Stellung von Geschäftsführern an die von Arbeitnehmern anzunähern. Daher kann die Vorschrift des § 38 Abs. 3 GmbHG nur dann eine Rolle spielen, wenn etwa ein Anspruch des Geschäftsführers auf Elternzeit individualvertraglich vereinbart wurde oder der Geschäftsführer im Einzelfall auch nach der Rechtsprechung des BAG ausnahmsweise als Arbeitnehmer gilt und sich somit auf das BEEG berufen kann. Einen Anspruch auf Elternzeit für Geschäftsführer statuiert die Vorschrift jedoch nicht.

Diskriminierungsschutz durch das AGG

Ob GmbH-Geschäftsführer durch das AGG auch vor ungerechtfertigten Diskriminierungen geschützt sind, war lange Zeit ungeklärt. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG muss die betroffene Person als Arbeitnehmer zu qualifizieren sein. Weil das AGG aber auf den europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien beruht und diese umsetzt, ist auch der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff als Auslegungsmaßstab heranzuziehen. Das BAG hat dies in einer Entscheidung aus dem Jahr 2019 ebenfalls ausdrücklich klargestellt (Urteil vom 26.03.2019 – II ZR 244/17). Demnach ist der Fremdgeschäftsführer einer GmbH bei europarechtskonformer Auslegung jedenfalls insoweit als Arbeitnehmer im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGG anzusehen, wie bei einer Kündigung seines Geschäftsführerdienstvertrags der sachliche Anwendungsbereich des AGG über § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG eröffnet ist.

Um die Ziele der Antidiskriminierungsrichtlinien am besten zu verwirklichen (Effet utile), sei eine Anwendung des AGG auf Leitungsorgane einer Kapitalgesellschaft geboten, wenn diese die Voraussetzung des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs erfüllten. Dies sei bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH der Fall, da sie sich aufgrund des gesellschaftlichen Weisungsrechts und der jederzeitigen Abberufbarkeit zu der Gesellschaft in einem Unterordnungsverhältnis befänden. Die Entscheidung beschränkt sich zwar dem Leitsatz nach ausdrücklich nur auf den Fall der Kündigung. Die Entscheidungsgründe lassen sich jedoch auch auf andere Situationen übertragen, so dass es naheliegt, dass Fremdgeschäftsführer im Anwendungsbereich des AGG stets als Arbeitnehmer im unionsrechtlichen Sinn anzusehen sind und daher vor jeglichen ungerechtfertigten Diskriminierungen geschützt werden.

 

catharina.klumpp@twobirds.com

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