Teil 2: Wie wähle ich die richtigen KPIs?

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Key-Performance-Indicators (KPIs) sind ein zentrales Werkzeug zur datenbasierten Steuerung von Unternehmen und werden zunehmend auch von immer mehr Rechtsabteilungen in der Entscheidungsfindung eingesetzt.1 Im ersten Teil dieser Beitragsreihe zeigten wir, dass eine solche Kennzahlenmessung nicht nur entscheidende Vorteile für die Rechtsabteilung selbst bietet, sondern dass auch das Gesamtunternehmen von den angestrebten Effizienzgewinnen profitiert. Letztlich stehen die Verantwortlichen damit nicht mehr vor der Frage, „ob“ sie KPIs einführen sollen, sondern nur noch vor der, „wie“ sie diesen Prozess bestmöglich gestalten. Der zweite Teil dieser Serie formuliert daher Leitlinien für die Definition messbarer KPIs und entwickelt daraus konkrete Handlungsempfehlungen für die praktische Umsetzung in Rechtsabteilungen.

Die Balanced Scorecard: mit Konzept vom „Ist“ zum „Soll“
Den Ausgangspunkt sollte dabei stets die Überlegung bilden, welche Funktion die Rechtsabteilung in einem Unternehmen erfüllt, bevor anschließend darauf bezogene Leistungsindikatoren, KPIs, gebildet werden.2 Nur wenn die Kennzahlen an die spezifische Rechtsabteilung angepasst sind, lassen sich die erhofften Vorteile auch in der Praxis realisieren.3 Dies folgt als logische Konsequenz aus der Definition von KPIs: Als erfolgsorientierte Kennzahlen bilden sie eine Brücke zwischen Strategie und Praxis einer Abteilung und hängen daher von ihren individuellen strategischen Zielen ab.4
Zu den Unternehmenszielen trägt eine Rechtsabteilung dabei stets durch die Erfüllung ihrer Kernaufgabe „Risikoprävention“ bei, die sie durch risikobegrenzende Beratung in vertragsrechtlichen Fragestellungen und streitigen Auseinandersetzungen, aber auch durch weitergehende juristische Begleitung, etwa in der Unternehmenskommunikation, wahrnimmt.5 Jedoch unterscheidet sich die Ausgestaltung dieser Tätigkeit in Abhängigkeit von den tatsächlichen Einflussmöglichkeiten einer Rechtsabteilung und ihrer Eingliederung in der Unternehmensorganisation: Sie kann aktiv gestaltend und steuernd eingebunden sein, nimmt bei näherer Betrachtung in manchen Unternehmen jedoch eher die Funktion einer „Feuerwehr“ ein, die vornehmlich retrospektiv auf sich anbahnende oder gar bereits eingetretene Rechtsrisiken reagiert.6 Es gilt folglich, die Stellung der Rechtsabteilung im Gesamtunternehmen zunächst zu modellieren und sich über die bestehenden Abläufe und ihre Einbindung bewusst zu werden.7
Eine universell gültige Liste an Indikatoren, die für jede Größe, Struktur und jeden Tätigkeitsbereich einer Rechtsabteilung angemessen wäre, kann es somit nicht geben.8 Insbesondere scheint es wenig zielführend, bestehende Kennzahlen anderer Unternehmensbereiche zu übernehmen, ohne sie zunächst an das Anforderungsprofil der Rechtsabteilung anzupassen:9 Während zum Beispiel in der Produktion die Effektivität von Anlagen als zentrale Messgröße gilt,10 wäre eine analoge Fixierung auf die Steigerung von Durchlaufzahlen in der Rechtsabteilung sicherlich kontraproduktiv. Eine Reduktion der Beantwortungszeit pro Anfrage darf im juristischen Umfeld nicht mit Qualitätseinbußen verbunden sein, denn die Syndizi agieren insofern unter besonderen marktwirtschaftlichen und rechtlichen Voraussetzungen.11 Anders ausgedrückt und stark vereinfacht: Der Gesamtorganisation ist wenig damit geholfen, wenn die Rechtsabteilung zwar jede Anfrage reflexartig und in Rekordzeit bearbeitet, aufgrund fehlender Qualität des Rechtsrats jedoch die erhoffte Risikominimierung nicht eintritt. Gleichwohl ist es zu empfehlen, andere Unternehmensbereiche frühzeitig in die Konzeption von Leistungskennzahlen einzubeziehen, denn nur ein abgestimmtes Vorgehen garantiert eine homogene Steuerungsausrichtung, die es vermeidet, teils widersprüchliche Kennzahlen zu definieren.12
Im Anschluss an eine solche Analyse können die spezifischen Ziele für den Soll-Zustand der Rechtsabteilung betrachtet werden. Hierfür bietet sich das Konzept der „Balanced Scorecard“ an, welches es ermöglicht, neben rein finanziellen Zielen auch qualitative Aspekte zu erfassen, mit denen Entwicklungen einer Abteilung häufig frühzeitig entdeckt werden, bevor sich diese in Umsatzergebnissen niederschlagen.13 In der von Kaplan und Norton14 entwickelten Methode werden Vorhaben dazu zunächst in Kundenperspektive, interne Perspektive und Innovationsperspektive unterteilt, aus denen sich finanzielle Ziele erst im Anschluss, als vierte Perspektive, ergeben.15
Übertragen auf eine Rechtsabteilung,16 finden sich in der Kundenperspektive dabei die Erwartungen der unternehmensinternen Mandatsgeber, wie etwa eine schnelle Antwort auf ihre Anfragen oder das Interesse an verständlichen Gutachten. Die interne Perspektive analysiert wiederum die eigenen vorhandenen Prozesse und ist somit häufig kausal für die Kundenperspektive. In diesem Zusammenhang könnten zum Beispiel eine geringe Anzahl offener Mandate oder die vermehrte Verwendung von Vertragsvorlagen anvisiert werden. Die Innovationsperspektive zielt auf die langfristige Verbesserung der Rechtsabteilung ab, was etwa durch Schulungsinitiativen oder die Einführung von Legal-Operations-Software, wie Matter-Management-, Document-Management- oder Spend-Management-Systemen, geschehen könnte. Schließlich ergibt sich mit der Finanzperspektive eine vierte Ebene, in der sich Ziele finden wie die Wertsteigerung des Unternehmens durch Abwendung von Risiken oder eine Reduktion von Ausgaben. Dieses sequentielle Vorgehen, bei dem finanzielle Aspekte erst den letzten Schritt bilden, soll sicherstellen, dass eine Kostenminimierung nicht zu Lasten der Qualität erzielt wird, sondern positive Entwicklungen stets über alle Gebiete hinweg („balanced“) erfolgen.17

Ihre Ziele sichtbar machen: Ableitung von „SMART“-KPIs
Erst wenn festgelegt wurde, welche strategischen Ziele die Rechtsabteilung verfolgt, können anschließend zentrale Leistungskennzahlen abgeleitet werden, die über ihre beschreibende Funktion hinaus auch tatsächlich einen positiven Effekt auf die Unternehmensentwicklung bieten.18 Hierzu gilt es, für die vier Gestaltungsebenen der Balanced Scorecard „SMART“-Kennzahlen (specific, measurable, achievable, relevant, time sensitive) zu identifizieren, um den gewünschten Zielfortschritt sichtbar zu machen.19 Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Begriffen „spezifisch“ und „relevant“, da sie die Notwendigkeit betonen, abstrakte Beschreibungen der Zielebene auf die ihnen zugrundeliegenden Funktionen möglichst konkret herunterzubrechen. Werden die Kennzahlen allzu weit gefasst, bergen sie viel Potential für Auslegungsstreitigkeiten und bieten keine echte Evaluierungs- und Verbesserungsgrundlage.20 Die gewählten Kennzahlen sollten zudem in einem klaren Ursachen- und Wirkungszusammenhang zu der formulierten übergeordneten Abteilungsstrategie stehen, um bei Nichterreichung der Unternehmensziele die Gründe hierfür auch im eigenen Zuständigkeitsbereich detailliert nachvollziehen zu können.21 Messungen, die als KPIs eingesetzt werden sollen, müssen folglich spezifisch genug sein, um dem einzelnen Mitarbeiter die Auswirkungen der eigenen Arbeit zu verdeutlichen, gleichzeitig jedoch abstrakt genug bleiben, um im abteilungsweiten Kontext noch relevante Aussagen zu treffen. Hierzu bietet es sich im Zweifel an, für einzelne Arbeitsbereiche der Rechtsabteilung eigene Unter-Scorecards anzufertigen, die in den Gesamtkontext der Abteilungsziele eingeordnet sind, den Mitarbeitern aber auch verstärkt individuelle Anreize bieten.22 In diesem Kontext wird auch von „Key-Performance-Incentivators“ gesprochen, denn die Kennzahlen sollten die Abteilung stets konkret dazu motivieren, auf die Erfüllung gewisser Strategieziele hinzuarbeiten.23
Mögliche KPIs ergeben sich dabei oftmals schon aus der Natur des Ziels (etwa Anzahl offener Mandate), aus bestehenden Strategiedokumenten oder aus Interviews mit zentralen Mitarbeitern.24 Zudem kann (zumindest als erste Inspiration) auf KPI-Listen anderer Abteilungen und Literaturbeispiele zurückgegriffen werden,25 solange die Anwendbarkeit dieser Messungen auf die eigene Abteilung jeweils überprüft wird. Während das Auffinden möglicher Leistungskennzahlen somit regelmäßig keine Probleme bereitet, ist es zur Bestimmung von KPIs entsprechend wichtiger, die richtigen Kennzahlen auszuwählen und deren Aussagekraft für die Abteilungssteuerung zu verdeutlichen. Als Beispiel hierfür kann das Ziel „Reduktion von Ausgaben“ in der Finanzperspektive dienen: Dieses wird von einer Vielzahl an Faktoren beeinflusst, wie Mitarbeiterkosten, Bearbeitungszeiten und Auftragsvolumina. Zur Strukturierung sollten daher die Kausalzusammenhänge der Balanced Scorecard zurückverfolgt werden, was etwa ergeben kann, dass sich zentrale Einsparpotentiale in der Innovationsperspektive wiederfinden. Die manuelle Bearbeitung von Rechnungen externer Kanzleien wird etwa mit bis zu 50fach höheren Gesamtkosten im Vergleich zu elektronischen Lösungen angegeben.26 Folglich lässt sich hier ein erreichbares und messbares Ziel („Einführung einer Legal-Spend-Management-Lösung“) mit konkreten Auswirkungen auf die Finanzperspektive definieren, das wiederum mit spezifischen KPIs („Implementierung x%“) quantitativ evaluiert werden kann.

Die Organisation im Blick: Akzeptanz für KPIs gewinnen
Trotz der beschriebenen Vorteile ist es im Einführungsstadium von KPIs nicht auszuschließen, dass einige Beteiligte und Mitarbeiter das Projekt blockieren, weil sie Neuerungen entweder grundsätzlich skeptisch gegenüberstehen, die mit Leistungsmessungen einhergehende Transparenz scheuen oder eine Begrenzung ihres Einflussbereichs fürchten.27 Dies ist gerade im Hinblick auf die motivierende Funktion von KPIs und die Identifikation von Mitarbeitern mit den gesetzten Zielen fatal, weshalb es sich empfiehlt, schon in der Einführungsphase eine enge und offene Kommunikation zu pflegen.28 Jede Einführung von Leistungskennzahlen sollte folglich mit einem durchdachten Changemanagementkonzept begleitet werden, das auch kulturelle Aspekte der Organisation, verdeckte Abteilungsstrukturen und individuelle Mitarbeiterbedürfnisse adressiert.29 Erwiesenermaßen steigen dabei die Wahrnehmung von Fairness im Unternehmen und auch die allgemeine Mitarbeiterleistung, wenn den Beschäftigten die technischen Hintergründe der Messungen erklärt werden und sie die kausalen Zusammenhänge der Leistungserfassung verstehen.30 Auch können langjährige Beschäftigte problematische Abläufe in ihrer Gruppe oftmals ohnehin besser identifizieren als die Abteilungsleitung. Solche spezifisch angepassten KPIs zeigen in Befragungen einen besonders positiven Effekt auf die Verbesserung von Unternehmensprozessen.31 Die frühzeitige Einbeziehung aller Unternehmensebenen verspricht somit einen doppelten Gewinn, und zentrale Mitarbeiter sollten zu einem Planungstreffen oder -workshop unbedingt eingeladen werden.32
Während grundsätzlich die Einführung von KPIs somit einem Top-down-Mechanismus folgen wird, ist es zu empfehlen, bereits zu Beginn der Einführungsphase interne Change-Agents einzubeziehen, die diesen Prozess begleiten und für eine erhöhte Akzeptanz in der Mitarbeiterschaft sorgen.33 Teilweise wird dies auch als hybride Vorgehensweise zwischen Top-down- und Bottom-up-Ansätzen beschrieben, wobei die Letztentscheidung des Managements erhalten bleibt, jedoch Funktionsverantwortliche aller Ebenen in den Einführungsprozess kontinuierlich eingebunden werden.34

Gleichzeitig sollte dennoch weiterhin um die Akzeptanz von KPIs auf Geschäftsleitungsebene geworben werden, insbesondere wenn für die Datenerhebung und -analyse initial zusätzliche Ressourcen notwendig sind.35 Tendenziell ist davon auszugehen, dass hier eine gegenüber der KPI-Erfassung eher wohlgesonnene Grundeinstellung herrscht, sind Kennzahlen doch gleichsam die „Sprache“ des Controllings und im Kontext der Unternehmensführung weithin etabliert.36 Nichtsdestotrotz kann ein KPI-bezogener Business-Case positive Auswirkungen auf die Wahrnehmung der Geschäftsleitung haben und die Akzeptanz fördern, da er die Vorteile der KPI-Erfassung verdeutlicht und die progressive Handlungsstrategie der Rechtsabteilung im unternehmensweiten Vergleich darstellt.37

„Twenty is plenty“38: mehr Übersicht mit selektierten KPIs
Gerade bei der Neueinführung eines KPI-Systems besteht die Gefahr, unnötig komplexe Datenerfassungen zu formulieren, wodurch sich die Nachvollziehbarkeit der einzelnen Kennzahlen reduziert.39 Dies gilt insbesondere für die Anzahl gemessener Faktoren: Wird eine schwer überschaubare Vielzahl an Daten erfasst, kann dies die Entscheidungsfindung behindern, weil es den Blick für tatsächlich relevante Entwicklungen versperrt und die damit einhergehende Bürokratisierung den Arbeitsablauf verlangsamt.40 In einigen Unternehmen gibt es heute Hunderte verschiedener Messsysteme, weil jedes Team eigene Scorecards ohne vorherige Absprache mit der Unternehmensleitung anlegt, wodurch die Datenerfassung jede Systematik verliert.41 Eine Metastudie im Medizinsektor etwa zeigte, dass 58% der untersuchten Unternehmen, darunter insbesondere große Konzerne, mehr als 20 und teilweise sogar bis zu 41 ihrer Datenerhebungen als „Key“-Performance-Indicators beschreiben.42 Dies zeugt von einem fehlenden Verständnis von KPIs, welches verkennt, dass auch die Geschäftsleitung nur über eine gewisse Kapazität zur Einordnung und Analyse dieser vielen Daten verfügt.43 Besser scheint es daher, im Grundsatz mit maximal zehn bis 20 Leistungskenndaten zu arbeiten. Einige Vorschläge gehen sogar von weniger, etwa von sieben Kennzahlen aus, weil sich diese Zahl genau zwischen einer unterkomplexen Erfassung und einem Überfluss an Informationen bewege; ein guter Anhaltspunkt hierfür sei, ob die Entscheidungsträger alle erhobenen Leistungsmessungen noch ohne weiteres aus dem Gedächtnis aufzählen könnten.44 In der beschriebenen Metastudie gelang es jedoch nur 31% der Unternehmen, sich auf die empfohlenen zehn bis 20 KPIs zu beschränken, und nur 12% wählten sogar weniger als zehn Kennzahlen aus.45
Grundsätzlich erscheint es wenig überraschend, dass es Unternehmen häufig schwerfällt, ihre Kennzahlen zu reduzieren, bietet eine strikte Vorselektion der Daten doch stets auch die Gefahr des Irrtums auf Managementebene durch eine fehlende oder unvollständige Datengrundlage.46 Auch wenn typischerweise damit zu viele KPIs definiert werden, gilt es folglich gleichfalls, ein Fehlen der entscheidenden Informationen zu vermeiden.47 Im Ergebnis scheint hierfür ein flexibler Ansatz vorzugswürdig: Wie schon bei der Erstellung einer Balanced Scorecard die Einführung von Unter-Scorecards zu empfehlen ist, sollte ein solches Vorgehen parallel auch bei der Ableitung von KPIs fortgeführt werden.48 In einem stufenförmigen Aufbau der Leistungsmessung erfasst hierzu jeder Mitarbeiter oder jede Gruppe der Abteilung selbst nur die bereits vorgeschlagene geringe Anzahl an Leistungsindikatoren, die in der jeweils höheren Ebene dann selektiert, mit weiteren Ergebnissen verbunden und wiederum in komprimierter Form an die nächsthöhere Managementstufe weitergegeben werden.49 In der Festlegung jeweils relevanter Messungen und Subkategorien für jede Stufe zeigt sich dabei erneut die besondere Bedeutung einer frühzeitigen Einbeziehung der gesamten Abteilung.50 Es entsteht folglich ein Kaskadeneffekt, in dem von einer geringen Anzahl an KPIs auf der obersten Führungsebene des Unternehmens eine durchgängige Verbindung an Kausalzusammenhängen zwischen den jeweiligen Unterebenen hergestellt wird und in dem sich mögliche Fehler und Potentiale so bis auf die einzelnen Mitarbeiter zurückverfolgen lassen.51

Setzen Sie sich erreichbare Ziele!
Schon der französische Philosoph Voltaire wusste, dass der größte Feind des Guten das Beste ist.52 In diesem Sinne mögen viele Entscheidungsträger zwar grundsätzlich von den Vorteilen einer KPI-Erfassung überzeugt sein, sehen sich aber überfordert von der Aufgabe, im laufenden Betrieb eine umfassende Kennzahlenstrategie einzuführen, kontinuierliche Messsysteme zu etablieren und die beschriebenen Einführungsschritte detailliert zu befolgen. Das Finden des richtigen Einstiegs und der notwendigen Zeit stellten so in einer Rechtsabteilungsstudie zur Einführung neuer Technologien für 30% der Befragten die größten Schwierigkeiten des gesamten Implementierungsprozesses dar.53 In solchen Fällen ist es daher kompromisshalber zu empfehlen, das Projekt „KPI“ mit bereits vorhandenen Daten schrittweise zu beginnen und dieses erst im Lauf der Zeit mit komplexeren Kennzahlen, Messmethoden und Analysen zu ergänzen.54 Während etwa eine qualitative Bewertung der Vertragsgestaltung etwas Vorlauf benötigt (hierzu Teil 3), ist es oftmals relativ einfach, Daten zur Anzahl offener Mandate oder zu abgeschlossenen Fällen pro Abteilung zu gewinnen. Anhand dieser Daten können bereits erste Strukturen einer KPI-Erfassung etabliert werden.55 So nutzten in einer Studie etwa schon 78% aller (primär in den USA) befragten Rechtsabteilungen eine Legal-E-Billing-Lösung,56 und auch in Europa steigt die Anzahl der Syndizi, die auf Legal-Spend-Management-Software und strukturierte Abrechnungsdaten setzen, kontinuierlich an. Diese Rechtsabteilungen können sich damit bereits jetzt ihre Ausgaben pro Mandat, Rechtsgebiet und Jurisdiktion oder Parameter wie den durchschnittlichen Partnerstundensatz aufgeschlüsselt nach bestimmten Transaktionsarten oder Kanzleitypen anzeigen lassen.57 Anhand solcher Kennzahlen lassen sich in Kombination mit einer Evaluierung der Kanzleileistung wertvolle Rückschlüsse für ein optimiertes Mandatierungsverhalten ziehen, um letztlich die externen Rechtsberatungskosten bei gleichbleibender Beratungsqualität zu senken.58
Mit der Verwendung bereits vorhandener Legal-Spend-Management-Daten ist somit auch in Unternehmen ohne dezidierte Legal-Operations-Funktion die Einführung von KPIs ressourcenschonend realisierbar. Im fünften Teil dieser Beitragsserie analysieren wir diese Thematik vertieft und zeigen auf, welche KPIs zu externen Rechtsdienstleistern aus Sicht einer Rechtsabteilungen den größten Mehrwert liefern. Unabhängig von dem gewählten Vorgehen sollten jedenfalls die unternehmerischen Gesamtziele im Auge behalten und der Dialog mit den Mitarbeitern und der Geschäftsführung gesucht werden.59 Die beschriebenen Methoden der Balanced Scorecard, „SMART“ Indikatoren und das kaskadierte Kennzahlenreporting können dann aufbauend genutzt werden, um auch komplexere Prozesse mit Leistungskennzahlen systematisch zu erfassen. Wie es dabei gelingt, auch zu abstrakten Fragestellungen KPIs zu messen und etwa die Zufriedenheit interner Mandanten einzubeziehen, wird im dritten Teil dieser Beitragsserie thematisiert.

Sieben Regeln der KPI-Einführung:
1. Strategie: Die KPIs sollten dazu dienen, übergeordnete Unternehmens- und Abteilungsziele zu verwirklichen.
2. Kausalität: Die KPIs sollten klare Ursachen- und Wirkungszusammenhänge erkennen lassen.
3. Vielfalt: Es sollten finanzielle und nichtfinanzielle, quantitative und qualitative Faktoren betrachtet werden.
4. Individualität: KPI-Listen können als Inspirationsquelle dienen, sollten aber an das eigene Unternehmen stets individuell angepasst werden.
5. Aussagekraft: Es sollten insgesamt nicht mehr als zehn bis 20 KPIs auf Führungsebene definiert sein.
6. Kommunikation: Die Geschäftsleitung und Mitarbeiter sind in den Einführungsprozess kontinuierlich mit einzubeziehen und von den Vorteilen der KPI-Erfassung zu überzeugen.
7. Komplexität: Es ist besser, das Projekt „KPI“ schon jetzt schrittweise mit bestehenden Daten zu beginnen, statt die Einführung auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.

l.usinger@busylamp.com
d.ternes@busylamp.com

Hinweis der Redaktion:
Teil 1 dieser Serie finden Sie hier. Die Autoren danken den zahlreichen Interviewpartnern herzlich, die im Rahmen dieser Aufsatzserie mitwirkten und somit das Projekt wesentlich förderten. Die weiteren Themen sind:
Teil 3: KPIs als quantitative Analyse qualitativer Faktoren
Teil 4: Nächste Schritte – mit KPIs zu besseren Rechtsabteilungen
Teil 5: KPIs im Verhältnis zu externen Rechtsdienstleistern (tw)

1 Vgl. Mascello (2014), Qualitätsmanagement für Rechtsdienstleister, Schult-hess, S. 186 f. (m.w.N.).
2 Vgl. Underwood (2015), „Key performance indicators Part 1: Four KPI‘s that can keep your legal department on track“, Inside Counsel. Breaking News, search.proquest.com/docview/1694468027 (zuletzt 06.07.20).
3 Angedacht ist ein solches Vorgehen auch bei Pauleau, Collard, Roquilly (2017): „Key Performance Indicators (KPIs): Run Legal with Business Metrics: Will the Legal of the Future Measure Everything It Does?“, in: Jacob/Schindler/Strathausen (Hrsg.), Liquid Legal, Springer, 111 (120 f.).
4 So Hefti (2006), „Steuerung der Performance mit KPI“, in: Gerberich/Schäfer/Teuber (Hrsg.), Integrierte Lean Balanced Scorecard, Gabler, 49 (50).
5 Vgl. Hirschmann (2019), „Organisatorische Herausforderungen der Rechtsabteilung: Aspekte der strategischen Ausrichtung und Konzeptionierung“, in: Lenz (Hrsg.), Die Rechtsabteilung: Der Syndikus und Steuerberater im Unternehmen, 3. Aufl., Springer Gabler, 183 (186 f.).
6 Zur Stellung und den verschiedenen Aufgaben von Rechtsabteilungen vgl. Wilke (2019), „Aufgabenfelder des Syndikus“, in: Lenz (Hrsg.), Die Rechtsabteilung: Der Syndikus und Steuerberater im Unternehmen, 3. Aufl., Springer Gabler, 23 (32, 36 f.).
7 Eine Übersicht verschiedener Methoden solcher Prozessmodellierung beschreiben im Kontext der Implementierung neuer Geschäftslösungen Österle, Blessing (2005), „Ansätze des Business Engineering“, HMD 42 Nr. 241, S. 7 ff.
8 So auch der Ausblick von Mascello (2013), „Leistungsmessung in der Rechtsabteilung“, Deutscher AnwaltSpiegel, deutscheranwaltspiegel.de/anwaltspiegel/archiv/leistungsmessung-in-der-rechtsabteilung (zuletzt 13.01.21).
9 Gleiches gilt für das blinde Übernehmen bestehender Daten innerhalb der eigenen Abteilung, so Pauleau, Collard, Roquilly (Fn. 3), S. 113.
10 Vgl. Schmidt et al. (2016), „Key Performance Indicators (KPIs) in der Prozessindustrie – Anwendung und Implementierung“, 14. Fachtagung EKA Magdeburg, S. 7, researchgate.net/publication/303950903 (zuletzt 13.01.21).
11 Wobei dies genau betrachtet nicht die Effektivität, sondern die Effizienz beschreibt, vgl. Hullen (2019), Effizienzsteigerung in der Rechtsberatung durch Rechtsvisualisierungstools, Nomos, S. 165, 171 ff. (m.w.N.).
12 Brocke, Brenner (2012), „Management-KPI-Cockpits zur strategieorientierten und bereichsübergreifenden Steuerung von Finanzdienstleistern“, IVW Management-Information: St. Galler Trendmonitor für Risiko- und Finanzmärkte, 34 (2), 25 (27 f.).
13 Vgl. Sanger (1998), „Supporting the balanced scorecard“, Work Study, Vol. 47 Nr. 6, 197 (198).
14 Vgl. Kaplan, Norton (1992), „The Balanced Scorecard – Measures that Drive Performance“, HBR 70 Nr. 1, 71 (72 ff.).
15 Die Beitragsserie verwendet allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum. Gemeint sind damit alle Geschlechter.
16 Einen ähnlichen Transfer beschreibt Mascello (Fn. 1), S. 188.
17 Vgl. Grimm (2017), „Finanzen in Legal Operations“, in: Falta/Dueblin (Hrsg.), Praxishandbuch Legal Operations Management, Springer, 555 (561).
18 Vgl. Cokins (2010), „The Promise and Perils of the Balanced Scorecard”, Journal of Corporate Accounting & Finance, Vol. 21 Nr. 3, 19 (20), der daher zunächst eine „Strategy Map“ formuliert.
19 Vgl. zu dieser Definition Parmenter (2015), „Key Performance Indicators: Developing, Implementing, and Using Winning KPIs“, 3. Aufl., John Wiley & Sons, S. 171 nach Drucker (1954), The Practice of Management, HarperCollins.
20 Vgl. Fouzder (2015), „How to: set in-house KPIs”, The Law Society Gazette, lawgazette.co.uk/in-house/how-to-set-in-house-kpis/5048324.article (zuletzt 13.01.21).
21 Vgl. Grimm (Fn. 17), der die Notwendigkeit solcher Kausalzusammenhänge auch schon für die Erstellung der Balanced Scorecard beschreibt.
22 Vgl. Grimm (Fn. 17), S. 571.
23 Vgl. Mascello (Fn. 8).
24 Vgl. Parmenter (Fn. 19), S. 170 f.
25 Eine umfangreiche Übersicht findet sich bei Tschauder (2020), „Metriken und KPI in Rechtsabteilungen“, S. 6 ff., legal-operations.com/key-performance-indicator-in-rechtsabteilungen-fortschritt-messbar-machen (zuletzt 13.01.21).
26 Vgl. Briscoe (2003), „Value Metrics: Submitting Invoices Electronically“, Law Practice Management, Vol. 29 Nr. 3, 38 (40), der diese Angaben zwar als überoptimistisch einschätzt, aber dennoch erhebliche Effizienzdefizite annimmt.
27 Vgl. Mascello (Fn. 1), S. 175.
28 Im Praxisbeispiel bei Hefti (Fn. 4), S. 55.
29 Vgl. Pauleau, Collard, Roquilly (Fn. 3), S. 125 f.
30 Vgl. Burney, Henle, Widener (2009), „A path model examining the relations among strategic performance measurement system characteristics, organizational justice, and extra- and in-role performance“, Accounting, organizations and society, Vol. 34 Nr. 3-4, 305 (314).
31 Vgl. Reinking, Arnold, Sutton (2020), „Synthesizing enterprise data through digital dashboards to strategically align performance: Why do operational managers use dashboards?“, International Journal of Accounting Information Systems 37, 100452, S. 10.
32 Ein Leitfaden hierzu findet sich bei Parmenter (Fn. 19), S. 173.
33 Vgl. Pauleau, Collard, Roquilly (Fn. 3), S. 126.
34 Vgl. Heilmann, Buttkus (2014), „KPI-Based Steering Logic“, in: Buttkus, Eberenz (Hrsg.), Controlling in der Konsumgüterindustrie, Springer Gabler, 111 (116, 121).
35 Vgl. Mascello (Fn. 1), S. 174.
36 Vgl. Kühnapfel (2019), Vertriebskennzahlen, 2. Aufl., Springer Gabler, S. 19.
37 Vgl. Pauleau, Collard, Roquilly (Fn. 3), S. 126.
38 Im BSC-Kontext schon bei Mayer, Ahr (2000), „Translating strategy into action“, Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft, Vol. 89 Nr. 4, 673 (680); für KPIs auch bei Mascello (Fn. 1), S. 176.
39 Zu dieser Warnung nachdrücklich Grimm (Fn. 17), S. 571.
40 Vgl. Kerzner (2017), Project Management Metrics, KPIs, and Dashboards: A Guide to Measuring and Monitoring Project Performance, 3. Aufl., John Wiley & Sons, S. 129.
41 Beispiele und Gründe finden sich bei Spitzer (2007), Transforming Performance Measurement: Rethinking the Way We Measure and Drive Organizational Success, Amacom, S. 34.
42 15/26 der Unternehmen, wobei diese Quote auf 41% sinkt, wenn eine Erweiterung der BSC auf bis zu sechs Perspektiven einbezogen wird, vgl. Behrouzi, Shaharoun, Ma’aram (2014), „Applications of the Balanced Scorecard for Strategic Management and Performance Measurement in the Health Sector“, Australian Health Review, Vol. 38 Nr. 2, 208 (212 f.).
43 Vgl. Jäkel (2016), „Messen und gemessen werden“, Compliance Manager, compliance-manager.net/fachartikel/messen-und-gemessen-werden-925088589 (zuletzt 13.01.21).
44 Vgl. Simons, Dávila (1998), „How high is your return on management?”, HBR 76 Nr. 1, 71 (76 f.).
45 8/26, bzw. 3/26 Unternehmen, vgl. Behrouzi, Shaharoun, Ma’aram (Fn. 42).
46 Zum „Konzept selektiver Kennzahlen“ vgl. Gladen (2014), Performance Measurement, 6. Aufl., Springer Gabler, S. 14 (m.w.N.).
47 Vgl. Kerzner (Fn. 40).
48 Vgl. Grimm (Fn. 17), S. 571.
49 Vgl. Behrouzi, Shaharoun, Ma’aram (Fn. 42), S. 209 f.
50 Vgl. Parmenter (Fn. 19), S. 39, der daher weitergehend sogar einen generellen „Bottom-up“-Ansatz fordert.
51 Vgl. Gleich (2011), Performance Management, 2. Aufl., Vahlen, S. 277.
52 „Le mieux est l‘ennemi du bien“, Voltaire (1772), La Bégueule, Conte Morale.
53 KPMG (2019), „General Counsel Roundtable & Plexus Thought Leaders research“, S. 21, go.legalgateway.co/rs/083-ZLK-944/images/The%20Legal%20Transformation%20Playbook%20%28slide%20deck%29.pdf (zuletzt 13.01.21).
54 Zu einem solchen schrittweisen Vorgehen rät auch Wolfskill (2007), „Finding time for KPI initiatives“, hfm, Vol. 61 Nr. 12, 38 (ebd.).
55 Vgl. Fouzder (Fn. 20).
56 Wobei hier nur Mitglieder eines Vereins für Legal-Operations befragt wurden und somit von einer gewissen Stichprobenverzerrung auszugehen ist, vgl. CLOC (2019), „State of the Industry Survey“, cloc.org/wp-content/uploads/2019/07/2019-State-of-the-Industry-FINAL.pdf (zuletzt 13.01.21).
57 Eine Übersicht dieser Möglichkeiten findet sich bei Wagner (2020), Legal Tech und Legal Robots, 2. Aufl., Springer Gabler, S. 13 f.
58 Vgl. Rapoport, Tiano (2019), „Legal analytics, social science, and legal fees: Reimagining legal spend decisions in an evolving industry”, Georgia State University Law Review, Vol. 35 Nr. 4, 1269 (1296 ff.).
59 Vgl. Wolfskill (Fn. 54), S. 39.

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