Die Patentierbarkeit von Naturstoffen und Lebewesen in der Rechtsprechung zum europäischen und US-amerikanischen Patentgesetz
Von Dr. Albrecht von Menges

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Die grundsätzliche Frage, welche Arten von Erfindungen eine patentierbare Lehre darstellen, wird von Patentämtern und Gerichten immer wieder neu beantwortet.

Für die Auslegung des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) sind die Beschwerdekammern zuständig. Die Entscheidungen der Beschwerdekammern zur Frage der Patentierbarkeit einer Erfindung haben sich dabei in der Vergangenheit eng am Wortlaut des EPÜ orientiert.

In den USA ist das oberste Gericht der USA, der Supreme Court, für die Auslegung des amerikanischen Patentgesetzes zuständig. Diesem Gericht werden jedoch nur wenige Fragen zum Patentrecht vorgelegt. Die Gruppe der patentierbaren Lehren wurde dabei in der Rechtsprechung über viele Jahre hinweg besonders breit gefasst. Seit dem Jahr 2012 ist jedoch eine Trendumkehr zu beobachten, da der Supreme Court mehrere Entscheidungen zur grundsätzlichen Frage der Patentierbarkeit erlassen hat, in denen die Gruppe der patentierbaren Lehren jeweils beschränkt wurde. Als Folge hat das US-Patentamt (USPTO) die Prüfungsrichtlinien für Patentanmeldungen geändert. Viele Nutzer des Patentsystems, die Patentanmelder, wehren sich in Anhörungen vor dem Patentamt gegen die Beschränkung der Gruppe der patentierbaren Erfindungen.

Diese Entwicklungen wurden zum Anlass genommen, einen Überblick über die nach europäischem und US-amerikanischem Recht patentierbaren Erfindungen zu geben. Der vorliegende Artikel befasst sich dabei mit der Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen, und zwar insbesondere mit der Patentierbarkeit von Naturstoffen und Lebewesen. In einem späteren Artikel werden wir einen Überblick über die Patentierbarkeit von computerimplementierten Erfindungen geben.

Naturstoffe sind Verbindungen, wie Proteine oder DNA, die aus der Natur isoliert werden können. Penicilline sind beispielsweise antibiotisch wirksame Stoffe, die als eine Klasse von Verbindungen entdeckt wurden, welche von verschiedenen Pilzarten natürlicherweise gebildet werden. Arzneimittel, die Naturstoffe oder biotechnologisch hergestellte Wirkstoffe enthalten, sind heute weit verbreitet.

Dennoch werden Fragen der Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen und insbesondere der Patentierbarkeit von Naturstoffen oder Lebewesen in der Öffentlichkeit besonders kontrovers diskutiert. Dabei werden ethische Bedenken geltend gemacht sowie Probleme, welche durch die Abgrenzung zwischen einer Entdeckung und einer Erfindung entstehen könnten. Diese beiden Themen spielen neben anderen in der Rechtsprechung auch eine Rolle.

Die Rechtsprechung zum EPÜ

Im EPÜ ist ausdrücklich normiert, dass Europäische Patente für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt werden sollen, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind [Art. 52(1) EPÜ]. Entdeckungen, wissenschaftliche Theorien und mathematische Methoden hingegen werden nicht als Erfindungen angesehen [Art. 52(2) EPÜ]. Ferner sollen Europäische Patente nicht für Erfindungen erteilt werden, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde.

Die Vorschriften der EU-Richtlinie zum Schutz biotechnologischer Erfindungen (Richtlinie 98/44/EG vom 06.07.1998) wurden als Regeln 26 bis 34 in das EPÜ aufgenommen. In diesen Regeln werden sowohl patentierbare biotechnologische Erfindungen als auch die Grenzen der Patentierbarkeit näher definiert.

Auf dieser Grundlage haben die Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts die Frage der grundsätzlichen Patentierbarkeit von Naturstoffen durchweg bejaht. Dabei wird das Auffinden des zuvor unbekannten Stoffs in der Natur an sich als nicht patentierbare Entdeckung eingestuft. Die Herstellung oder Verwendung des Stoffs ist jedoch in eigentlich allen Fällen mit technischen Merkmalen verbunden, welche zur Begründung der Patentierbarkeit herangezogen werden können. DNA, Proteine und alle weiteren aus der Natur isolierbaren Stoffe können daher Gegenstand eines Patents sein.

Einer der wenigen Fälle, in denen diese Frage überhaupt von einer Beschwerdekammer zu entscheiden war, ist der Fall T 272/95, in dem über die Patentierbarkeit einer für menschliches Relaxin kodierenden DNA-Sequenz und des zugehörigen Proteins zu entscheiden war. Die Beschwerdekammer bejahte die Patentierbarkeit und verwies darauf, dass bereits die Regeln des EPÜ vorsehen, dass biologisches Material, welches mit Hilfe eines technischen Verfahrens aus seiner natürlichen Umgebung isoliert oder anderweitig hergestellt wird, patentierbar sein soll, auch wenn es zuvor bereits in der Natur vorhanden war. Auch die Patentierbarkeit von Mikroorganismen wurde von den Beschwerdekammern regelmäßig bejaht.

Komplizierter wird es bei der Patentierbarkeit von Pflanzen und Tieren, die nur dann als patentierbar gelten, wenn die beanspruchte Ausführung der Erfindung technisch nicht auf eine bestimmte Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt ist (G 1/98, G 2/12 und G 2/13). Demgegenüber sind Verfahren zur Herstellung von Pflanzen und Tieren nicht patentierbar, sofern sie auf Kreuzung und Selektion beruhen (G 2/07 und G 1/08).

Menschliche embryonale Stammzellen, die ausschließlich durch ein Verfahren hergestellt werden können, das mit der Zerstörung menschlicher Embryonen einhergeht, gelten ebenfalls als nicht patentierbar (G 2/06).

Die Rechtsprechung zum US-Patentgesetz

Die Vorschriften zur Patentierbarkeit im US-Patentgesetz sehen vor, dass derjenige ein Patent erhalten kann, der neue und nützliche Verfahren, ein Gerät, ein Erzeugnis oder eine Zusammensetzung erfindet (35 U.S. Code § 101).

Über viele Jahre hinweg folgte die Auslegung dieser Vorschrift einer Entscheidung des US Supreme Courts zu genetisch veränderten Mikroorganismen aus dem Jahr 1980 („Diamond vs. Chakrabarty“). In dieser Entscheidung war das oberste Gericht der USA zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei genetisch veränderten Mikroorganismen um ein von Menschen geschaffenes und somit nicht natürlicherweise vorkommendes Erzeugnis handelt. In einer besonders eingängigen Formel hatte das Gericht ferner die patentierbaren Erfindungen dahingehend zusammengefasst, dass alles unter der Sonne, was von Menschen geschaffen wurde, patentierbar sein sollte („everything under the sun made by man“). Diese Entscheidung bestätigt aber auch, dass Naturgesetze, natürliche Phänomene oder abstrakte Ideen von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind.

Als Folge dieser Entscheidung hat das US-Patentamt über Jahre hinweg Patente für Naturstoffe und für aus der Natur isolierte Mikroorganismen erteilt. Die Patentierbarkeit wurde bereits dann bejaht, wenn der Naturstoff im Patentanspruch als isolierter Stoff gekennzeichnet wurde, da dieser in isolierter Form ja in der Natur nicht vorliegt.

Im Jahr 2013 hat der US Supreme Court die Grundsatzentscheidung „Association for Molecular Pathology vs. Myriad Genetics“ erlassen, in der das Gericht zu dem Ergebnis kam, dass eine natürlicherweise vorkommende DNA-Sequenz nicht bereits deswegen patentierbar sei, weil sie aus der Natur isoliert wurde.

Als Folge dieser und weiterer Entscheidungen des US Supreme Courts wurden die Prüfungsrichtlinien für das USPTO geändert und sehen nun einen mehrstufigen Test für die Prüfung der Patentierbarkeit vor. Naturgesetze, natürliche Phänomene oder abstrakte Ideen als solche werden dabei von der Patentierbarkeit ausgenommen. Sofern eine Erfindung in eine dieser Kategorien fallen könnte, soll die Patentierbarkeit nur dann bejaht werden, wenn der beanspruchte Gegenstand wesentlich über diese Ausnahmen hinausgeht. Zur Auslegung dieser Richtlinien hat das USPTO Beispiele angegeben, in denen dargestellt wird, dass Naturstoffe, wie DNA oder Proteine, nur dann als patentierbar gelten, wenn sie sich in der Sequenz oder in anderen Strukturmerkmalen wesentlich von der natürlicherweise auftretenden Form unterscheiden. In diesen Beispielen werden auch Mischungen von natürlicherweise vorkommenden Mikroorganismen als nicht patentierbar eingestuft.

Auch erfahrenen US-Kollegen fällt es jedoch schwer, die Patentierbarkeit von Erfindungen aus dem Bereich der Naturstoffe zu bewerten, sofern diese nicht besondere Ähnlichkeit zu den genannten Beispielen aufweisen. In diesem Bereich wird man daher noch für geraume Zeit mit erheblichen Unsicherheiten bei der Bewertung der Patentierbarkeit neuer Erfindungen leben müssen.

menges[at]uex.de

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