Wie die Grenzbeschlagnahme gegen Nachahmer und Produktfälscher helfen kann

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Einleitung

Die Grenzbeschlagnahme ist ein rechtliches Instrument, welches viele Unternehmen gar nicht oder nur unzureichend auf dem Radar haben. Dabei ist die Grenzbeschlagnahme grundsätzlich kostenlos und kann dazu beitragen, den europäischen Markt von Nachahmern und Produktfälschungen auf effektive und kostenschonende Art und Weise zu säubern. Dies kann immens wichtig sein, da Produktfälschungen nicht nur einen wirtschaftlichen Schaden für die Originalhersteller zur Folge haben, sondern auch für Verbraucher mitunter gefährlich werden können. Beispiele aus der Praxis gibt es viele, wobei ein besonderes Gefahrenpotential sicherlich im Hinblick auf gefälschte Babynahrung, fehlerhafte Bauteile (wie Bremsen) oder gar Medikamente besteht. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass es für die Originalhersteller oft sehr schwierig ist, die Produzenten solcher Fälschungen auszumachen und stellt somit die Möglichkeit der Grenzbeschlagnahme durch die Zollbehörden als zusätzliches Instrumentarium zur Verfügung.

Letztlich können also, bei einem wirksam gestellten Antrag, die staatlichen und europäischen Behörden „benutzt“ werden, um das eigene Schutzrechtsportfolio (zum Beispiel bestehend aus Marken, Designs und/oder Patenten) zu schützen und die Ein- und Ausfuhr von schutzrechtsverletzenden Waren bereits an den Außengrenzen der EU oder Deutschlands zu unterbinden. Insbesondere die deutschen Zollbehörden haben sich in den letzten Jahren dabei als effektiv erwiesen. Im Jahr 2021 wurden in knapp 25.000 Fällen Waren durch den deutschen Zoll beschlagnahmt, welche einen Gesamtwert von über 310 Millionen Euro aufwiesen. In den meisten Fällen kommen die aufgegriffenen Waren aus Fernost, insbesondere China, aber auch aus afrikanischen Ländern und der Türkei (vgl. www.zoll.de). Hinsichtlich der betroffenen Waren ist interessant zu sehen, dass neben Bekleidung, Zigaretten, Taschen und elektronischen Bauteilen auch immer häufiger komplexere Nachahmungen aus den Bereichen Maschinenbau und der Pharmaindustrie von den Zollbeamten aufgehalten werden.

Der Antrag auf Grenzbeschlagnahme und seine Voraussetzungen

Die Zollbehörden werden in den meisten Fällen nur auf Antrag tätig. In Einzelfällen können sie allerdings auch von Amts wegen tätig werden. Der Normalfall ist jedoch ein Tätigwerden auf Antrag. Der Antrag selbst ist kostenfrei und wird jeweils für ein Jahr gestellt. Es ist also nicht für jeden Einzelfall ein eigener Antrag zu stellen. Sofern die Schutzrechte weiterhin existieren, ist dieser auch beliebig oft verlängerbar.

Bei einem Antrag auf Grenzbeschlagnahme ist zwischen einem nationalen Grenzbeschlagnahmeantrag und einem Unionsantrag zu unterscheiden. Die EU-weite Grenzbeschlagnahme bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gemeinschaftsrecht (VO (EG) Nr. 608/2013). Hiervon werden alle Ein- und Ausfuhren von Waren aus Drittländern in die EU erfasst. Darüber hinaus existieren ergänzend mit dem nationalen Grenzbeschlagnahmeverfahren auch nationale Vorschriften für den innereuropäischen Warenverkehr. Beide Ansatzpunkte (nationales Recht und EU-Recht) stehen nebeneinander und ermöglichen am Ende ein Tätigwerden des deutschen Zolls beim Import nach Deutschland, also beim innereuropäischen Import, sowie beim Import von Drittländern in die EU insgesamt. Bei einem Grenzbeschlagnahmeverfahren auf EU-Ebene können Waren beschlagnahmt werden, die im Verdacht stehen, Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, die EU-weite Wirkung beanspruchen. Hierzu zählen Gemeinschaftsmarken, Gemeinschaftsdesigns, international registrierte Marken und Designs mit Benennung der EU und geografische Herkunftsangaben. Die Grenzbeschlagnahme umfasst dabei in die EU importierte Waren, aus der EU ausgeführte oder zur Wiederausfuhr angemeldete Waren.

Der elektronisch einzureichende Antrag muss neben einem Nachweis über die zu umfassenden Schutzrechte auch einen Nachweis über die Berechtigung des Antragstellers sowie Informationen zu den möglichen Kontaktpersonen enthalten. Zudem sollten ergänzende Angaben zum betroffenen Warenkreis sowie den Originalprodukten gegeben werden. Auch Hinweise über übliche Lieferwege und -routen sowie typische Merkmale von Fälschungen sollten den Zollbehörden zur Verfügung gestellt werden. Im Idealfall erhalten die Zollbehörden also eine Art „Anleitung“, anhand derer die Behörden möglichst einfach Originalware von Nachahmung unterscheiden können und zudem auch bereits vorab wissen, ob Originalprodukte überhaupt aus einer gewissen Region der Erde in die EU geliefert werden.

Voraussetzung der Grenzbeschlagnahme durch die Zollbehörden ist das Bestehen eines Verdachts einer Schutzrechtsverletzung. Es ist nicht notwendig, dass eine Schutzrechtsverletzung tatsächlich vorliegt.

Verfahren bei Tätigwerden der Behörden

Sollten die Zollbehörden bei der Überprüfung von grenzüberschreitendem Warenverkehr den Verdacht einer Schutzrechtsverletzung haben, so werden die jeweiligen Waren zurückgehalten. Zeitgleich geht ein Informationsschreiben an den Antragsteller, mit welchem dieser über die Herkunft und Art der Ware sowie die beteiligten Parteien (Absender, Empfänger, Spediteur etc.) informiert wird.

Der Antragsteller hat dann im Rahmen eines Unionsantrags die Möglichkeit, innerhalb von zehn Tagen nach Erhalt der Mitteilung der Grenzbeschlagnahme den Zollbehörden die Verletzung des Schutzrechts mitzuteilen und ein Gerichtsverfahren in die Wege zu leiten. Bei dem Gerichtsverfahren kann es sich entweder um ein einstweiliges Verfügungsverfahren oder um ein „normales“ Hauptsacheverfahren handeln. Handelt es sich um leicht verderbliche Waren, so bleibt dem Antragsteller nur eine Frist von drei Arbeitstagen, welche auch nicht verlängert werden kann.

Als Alternative zum Nachweis auf ein eingeleitetes Verfahren kann der Antragsteller einen Antrag auf „vereinfachte Vernichtung“ der Waren stellen. In diesem Fall werden die Waren durch die Zollbehörden vernichtet, wenn der Anmelder oder Besitzer der Waren entweder der Vernichtung zugestimmt oder der Vernichtung nicht innerhalb der oben genannten Frist (zehn Tagen) widersprochen hat. Die Vernichtung erfolgt auf Kosten und Verantwortung des Antragstellers.

Widerspricht der Zollanmelder oder Besitzer der Waren der Beschlagnahme, werden die Waren nur auf der Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung vernichtet.

Sonstige Rechtsfolgen und Zusammenfassung

Neben der beschriebenen Grenzbeschlagnahme und Vernichtung, kann der Antragsteller grundsätzlich auch eine Kostenerstattung der ihm entstandenen Kosten (zum Beispiel der Anwaltskosten) verlangen.

Daneben können ihm Schadensersatz-, Unterlassungs- und Auskunftsansprüche zustehen.

Auch in der Zukunft ist mit einer steigenden Anzahl an Verletzungen von gewerblichen Schutzrechten zu rechnen. Der Anstieg der Beschlagnahmefälle in den vergangenen Jahren zeigt eindeutig die Aktualität des Problems, aber auch die steigende Effektivität der deutschen und europäischen Zollbehörden. Um die Effizienz in diesem Bereich noch zu verbessern, ist neben der Sensibilisierung der Zöllner auch der Ausbau der Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftsbeteiligten und Zollbehörde von großer Bedeutung und wünschenswert. Es bleibt also zu hoffen, dass im Laufe der kommenden Jahre die Zahl der Anträge auf Grenzbeschlagnahme steigt und immer mehr Wirtschaftsteilnehmer von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, um die eigenen Wirtschaftsgüter zu schützen. Letztlich bedeutet jeder erfolgreiche Fall der Beschlagnahme, dass Arbeitsplätze gesichert werden und die Qualität von Markenwaren gewährleistet wird.

 

christian.thomas@kuhnen-wacker.com

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